Satya Nadella lenkt die Transformation von Microsoft
Das Unternehmen schlägt einen neuen Kurs für sich ein und möchte in Zukunft nicht nur die Produktivität einzelner, sondern als hilfreicher Begleiter aller digital vernetzen Menschen gelten. Und genau diese Ausrichtung ist notwendig, damit Microsoft auch in der Industrie 4.0 ein relevanter Player bleibt.
Bereits im Juli verschickte der im Februar 2014 neu angetretene CEO von Microsoft, Satya Nadella, an alle Mitarbeiter ein Memo über die neue strategische Ausrichtung des Unternehmens. Gerade erst ein Jahr zuvor hatte sein Vorgänger, Steve Ballmer, eine E-Mail zur Ausrichtung des Unternehmens an die Mitarbeiter geschrieben. Damals wurde der Wechsel von der Ära der "Packaged Software" zur "Devices and Services"-Ära manifestiert:
Going forward, our strategy will focus on creating a family of devices and services for individuals and businesses that empower people around the globe at home, at work and on the go, for the activities they value most.
Steve Ballmers Vision von Microsoft
Microsoft sollte in einer Art und Weise organisiert werden, wo Geräte und Services explizit ihren Platz haben, während die gute alte Software gar nicht erst im Unternehmensmantra angesprochen wird. Erstaunlich, wie ich finde, da doch Microsoft erst durch Software wie Windows und Office groß geworden ist. Weiter hieß es, dass Hardware einerseits durch "Partner" angeboten werde, auf welcher Microsoft als Betriebsystem oder mit einzelnen Services und Apps vorhanden wäre. Anderseits würde man auch als "First-Party" eigene Produkte realisieren, wie z.B. die Xbox One oder Kinect. Damals war das schon ein etwas überraschender Schritt, da doch die digitale Welt sich immer mehr in Richtung Cloud, Services und Plattform bewegt, und Hardware als solche eher immer austauschbarer wird.
Apple oder Google als Vorbild?
Bestes Bespiel für diese Bewegung ist Google: Die Flagship-Produkte wurden immer wieder von unterschiedlichen Herstellern wie Samsung, HTC oder Asus produziert - schließlich ist Google kein Hardware-Unternehmen. Jedoch lief auf allen Geräten das Android Betriebsystem, und sie wurden alle als Google-Handys wahrgenommen. Apple dagegen ist ein Hardware-Unternehmen, die mit den iPhones, iPods und MacBooks nach wie vor unerreichte Standards geschaffen haben, wenn es um die qualitative Produktion von Hardware geht. Software-seitig gibt es seit dem App-Store (2008) eigentlich keine wirklich nennenswerte Innovation. Aber Apple hat es geschafft eine Community für sich zu gewinnen, die aufgrund der Geschichte, der Werte und der Wertigkeit eine extrem loyale Gefolgschaft sind. Nach Apple gibt es lange Nichts, bevor in wechselnder Reihenfolge die Samsungs, HTCs und Acers dieser Welt kommen. Die Mission von Apple ist daher messerscharf. Auch Googles Mission ist seit Beginn unverändert. Microsoft dagegen schwimmt immer wieder zwischen Software, Service und Devices.
Produkte für die digitale Zukunft
Mit dem Kauf von Nokia wurde die Ausrichtung auch nicht eindeutiger. Daher hat sich Nadella auf die Fahnen geschrieben, Microsoft aufzuräumen und auf die zweite digitale Revolution vorzubereiten. Vor den eigenen Mitarbeitern und einigen Pressevertretern hat er das neue Mantra geprädigt:
“Productivity: Reinvented.”
Das Vorhaben Produktivität neu zu erfinden klingt vielleicht sehr allgemein und hohl, jedoch führt es gekonnt auf den Kern von Microsoft zurück, mit Blick auf die digitale Zukunft. Zu Beginn der 80er und 90er Jahre waren Bill Gates und Paul Allen, die beiden Gründer von Microsoft, durchaus der Inbegriff von Produktivität, als sie die Computer in die Haushalte brachten und später mit den Office-Produkten die Bürowelt veränderten und beherrschten und in weiten Teilen immer noch beherrschen. Mittlerweile gibt es aber unendliche viele Alternativen zu Text- und Bildbearbeitung. Und jeden Tag kommt eine neue hinzu. Welchen Platz sollte da also Microsoft noch einnehmen können?
Wie in einer Motivationsrede für das eigentliche Konzept von "Produktivität", beschrieb Nadella die neue Ausrichtung, hob die Bedeutung von Office hervor, jedoch mit der Frage, wie man diese Basis in Zukunft weiter ausweiten kann.
"Wie helfen wir der Menschheit, die Raum-Zeit-Grenze zu überschreiten, als Einzelperson und als Gemeinschaft? Wie schaffen wir Werkzeuge, die einem die digitale Unterstützung geben, um Dinge zu erledigen? "
Ein digitales Ökosystem von Produkten und Services
So allgemein wie den Ausspruch von Nadella, so scheint auch das Unternehmen die neue Definition von Produktivität zu verstehen: alles was nicht unproduktiv ist. Und genau darum wird es immer mehr gehen. Ein flexible Ökosystem an Produkten und Services aufzubauen, dass sich an sich rasch ändernde Bedingungen anpassen kann. Daher kam es nicht überraschend, als kürzlich Microsoft verkündete, dass nun die Office Apps für iOS und Android kostenlos zur Verfügung stehen werden. Cloud-Speicher werden zu immer größerem Maße kostenlos bereitgestellt. Das Netz wird nun weiter gespannt. Gleichzeitig schärft Satya Nadella das Unternehmen und stellt Microsoft auf drei (Software-)Grundpfeiler auf:
"There’s Windows, there is Office 365, and there is [cloud platform] Azure. That’s it. Everything else, to me, you can call them features."
Microsoft Garage als Inkubator stärker im Vordergrund
Um diese neue Marschrichtung voranzutreiben hat Microsoft eine Ideenschmiede geschaffen, unter dem gehaltvollen Namen "Garage", in Anlehnung an alle Erfolgsgeschichten, die aus einer Garage heraus entstanden (wie z.B. Microsoft oder Apple). Garage wurde zwar bereits vor 5 Jahren gegründet, rückt jedoch nun stärker in den Vordergrund. Während Garage bisher ein geschlossenes Konstrukt für interne Forschung und Entwicklung war, wurde es Ende Oktober für Konsumenten geöffnet. Interessierte können auf aktuell 16 Apps für iOS und Android zugreifen, die sich noch in einem sehr frühen Stadium befinden und sollen ihre Eindrücke und Erkenntnisse als Feedback an Microsoft senden.
Zu den verfügbaren Apps gehört beispielsweise Next Lock Screen für Android, mit der man sich aus dem Terminhinweis im Lock Screen direkt in eine Telefonkonferenz einwählen kann. Eine sehr gelungene Idee, wie man in Zukunft begehren schaffen kann. Quasi durch die Hintertür, erst im Zweiten Schritt den Fokus auf Office, dem eigentlichen Produkt, legen. im ersten Schritt Produktivität (also "dem User schneller zum gewünschten Ergebnis verhelfen") fördern. In einem anderen Versuch, zu verstehen, was die Leute wollen, lädt Microsoft beim "Windows Insider Programm" Nutzer ein, Windows 10 auszuprobieren und ermutigt dazu, Feedback auf das sich noch in Produktion befindende Betriebssystem zu geben.
"Windows 10 will be our most collaborative OS project ever. We will make sure people have been heard and listened to", so Microsoft VP Terry Myerson.
Microsoft schärft seine digitale DNA
Die ersten Anzeichen für die richtige Entwicklung sind also mehr als deutlich. Microsoft wird Teil der kollaborativen open-innovation Bewegung, die sich als digitale Treiber der Neuzeit darstellt. Transparenz und dialog auf Augenhöhe auf der einen Seite, Vernetzung und Beschleunigung des Angebots auf der anderen Seite.
Microsoft versucht seine ureigene digitale DNA zu finden und zu erneuern, was nicht einfach ist. Die Produkte müssen entsprechend aufgerüstet und angeboten werden, was oft eine Neuordnung der internen Bereiche bedeutet. Damit ist wiederum in aller Regel eine personelle Umstellung verbunden, d.h. das Verständnis der Mitarbeiter der neuen Denkmuster bzw. die Einstellung neuer Kollegen, die diese Denke bereits mitbringen und fördern. Alles in allem machen die ersten Aktivitäten in diese Richtung einen passablen und interessanten Eindruck. Man kann gespannt sein, wie lange dieses Memo halten wird.